FAZ; 30.8.2018

GTR Teil 8

von Habbo Knoch

Lahore – Suchend: Die Engländer mieden die verwinkelten Straßen dieser geschichtsträchtigen Stadt. Aus Angst, sich anzustecken, bauten sie ihre eigene außerhalb der alten Mauern mitsamt einem Museum für die antike buddhistische Kultur. In diesem „Wunderhaus“ erscheint auch heute die Welt weit weg. Doch wer durch Saddar geht, die Altstadt, spürt wie Rudyard Kiplings Romanfigur Kim am Ende des 19. Jahrhunderts die tragische Schönheit einer Stadt zwischen reicher Spiritualität und harter Politik. Kim musste sich entscheiden: Folge ich dem weisen Lama oder dem Reiz der Spionage? Kein Wunder, dass in Lahore gleich beide Nationalbewegungen ihren Anspruch auf einen Staat erhoben, 1929 die indische, elf Jahre später die pakistanische. Mit der Teilung wurde Lahore zum Schlachtfeld und „ethnisch gesäubert“. Eine Apokalypse, wie sie sich ähnlich an vielen anderen Orten wiederholen sollte: Timor Leste, Ruanda, Sierra Leone, der Balkan. In Lahore blickt in die Niemandsländer unserer westlichen Seele, wer hinschaut – es zerreißt, verwirrt und läßt einen nicht mehr los. Nur weg, denn nichts hier gibt Antwort, erst recht nicht die Sehnsucht nach den Verlorenen.

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