SIGNUM MORTIS | 40.555


Wenn das dokumentarische Potenzial von Fotografien nur soweit reicht wie das Licht, müssen wir sie als Kunst gestalten, um unsere Wahrnehmung durch das unsichtbar Bleibende traumatischer Gewalt affizieren zu lassen

Habbo Knoch




Der Fotograf hat den Mut zur Größe, um das Leid der Geflüchteten unübersehbar zu verdeutlichen. Dabei benutzt er Elemente der Plakatwerbung, verwandelt seine Botschaften aber in eine überzeugende künstlerische Ausdrucksform. Die gestalteten Fotos, Tabellen und Texte sprechen für sich, zeigen Fakten und vermeiden jegliche Form von einseitiger politischer Propaganda


Welt-in-Hannover.de


This exhibition in Hannover is a timely reminder of how priveleged we are in central Europe to live without first hand experience of the terror and hopelessness of armed conflict. As one of the leading documentary journalists and photographers of our generation, Wolf Böwig has repeatedly captured the tragedy of war in multiple conflicts from the Balkans to Afghanistan and Africa. These installations in Hannover serve as a sobering backdrop in our festive season.

Ken Fouhy


Lieber Wolf,

Die Ausstellung hat eine eigene Ausstrahlung; der Weiße-Kreuz-Platz auch als Herberge für viele Zurückgelassene in unserer Gesellschaft, verstärkt den Eindruck einer unkonventionellen und hoch engagierten Dokumentation.

Wir alle pflegen Lippenbekenntnisse gegen Gewalt, Terror, Zerstörung; am direkten Ort des Geschehens, sich den schrecklichen Szenen zu stellen, den Opfern dabei eine Darstellung zu geben ist ein hochmutiger Schritt, den Sie als Fotograf immer wieder auf sich nehmen, den auch mein Sohn nie gescheut hat, um zu verweisen auf Unrecht, Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzung- auf dem Balkan oder irgendwo auf der Welt.

Eine Bild-Text-Dokumentation, die sich so selbstverständlich in die Öffentlichkeit schiebt, den Blickkontakt herausfordert und Schrecken nicht verbirgt, authentisch zeigt, was erlitten, was zerstört, wie gestorben wird und wieviele Opfer es gibt, wird für den Betrachter verstörend sein in dieser Direktheit. Vielleicht kann sich Erkenntnis ableiten, ein politische Haltung berührt werden, an der es so oft fehlt.
Für mich hat sich die Art und Weise der Präsentation auf der offenen Bühne eines Stadtteilplatzes richtig angefühlt und hoffe auf viele wache Betrachter.

Und ich danke Ihnen für das Licht, was an meinen Sohn erinnert.

Lieber Wolf, möchte Ihnen die eine Flasche Rotwein geben , die Thilo aus einem seiner Einsätze aus Mostar mitgebracht hat. Wir mochten sie nie trinken, weil so viele Erinnerungen vorhanden waren. Wenn Sie mal kommen in die Güntherstrasse, steht sie von Thilo für Sie bereit.

Danke für Ihre Einladung, danke für Thilos Gedenken.

Schicke Ihnen liebe Grüsse

Annette Thielke



Lieber Wolf,


Ich erkenne in ihrer schönen, verständigen Beschreibung meinen Eindruck Deiner Ausstellung auf dem Weißkreuzplatz sehr genau wieder. Diese dringliche Zumutung, die dennoch die Bedrängung vermeidet, die Sichtbarmachung anderer Leben unter sehr anderen Bedingungen, die Sichtbarmachung auch von Hoffnungen und deren Scheitern und unserem unrühmlichen Anteil an letzterem. Das Wetter, der Regen, die beiden Flammen für Deine gestorbenen Freunde. Die Zeugenschaft, der man sich stellen muss. Unsere Begegnung hat mich noch lange beschäftigt und ich war sehr dankbar, dass ich durch Dein großzügiges Geschenk die Möglichkeit hatte, in Deine Erzählungen weiter einzutauchen und jedes Mal aufs Neue Weiteres zu entdecken, andere Schichten freizulegen. Gleichwohl war und bin ich tief erschüttert und sehe mein eigenes Dasein und Leben, meine Kämpfe angesichts Deiner Begegnungen und dessen, was Du dokumentierst, massiv in Frage gestellt. Es ist nicht einfach, sich davon frei zu machen. Welche Gespräche scheinen noch möglich angesichts der Tragödie, die sich andernorts abspielt und in die wir so verstrickt sind. Gerade wenn ich wieder die Berichte aus Bosnien sehe – ich erstarre. Dabei hat Deine Arbeit tatsächlich auch etwas Tröstliches, es ist nicht leicht zu beschreiben, wodurch dieses Gefühl ausgelöst wird.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass Du die Parallelitäten unterschiedlicher Welterfahrung zulässt, mehr noch, dass Du sie thematisierst und aufzeigst, dass die eigene Welterfahrung als Okular wertvoll ist für die der anderen.

Das vertikale Narrativ, die zeitlichen Schichten und Schichtungen sind ja die Ladung, um die unsere Leben kreisen, bewusst oder unbewusst – darum empfinde ich Dein Verfahren als eine Thematisierung des chronistischen Akts an sich, eines Akts, der von Hingabe und echtem Interesse zeugt am sich verändernden Gegenüber und dem sich verändernen Selbst.


J.G.

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