FeuilletonFrankfurt

Der feine kleine Raum der Galerie-Peter-Sillem hat sich abermals in ein perfektes Gehäuse verwandelt für eine Schau, die dem Betrachter einen neuen Blick auf eine Welt des Leides in Krisengebieten ermöglicht, die den meisten von uns verborgen ist: Mit großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien und deren rauen Oberflächen, mit schmalen zusammengefügten Fotostreifen, die fast filmisch kleine Geschichten vom Balkankrieg, vom Afghanistankrieg und von Afrika, den Bürgerkriegen in Sierra Leone, Liberia, der Elfenbeinküste und Guinea-Bissau, erzählen. Wolf Böwig hat die Sicht darauf tagebuchartig dokumentiert, überblendet, mit Vorgefundenem überklebt und überkritzelt, in Boxen gepackt, so als wollte er damit das Grauen bannen und gleichsam außer Kraft setzen. Er hat seine fotografischen Erinnerungsspuren überschrieben und wie eine menschliche Anthologie komponiert und kommentiert, so dass sich unter deren Oberfläche Neues und Anderes entwickelt.

Zur Ausstellungseröffnung am 7. November 2018 gab die ehemalige Kriegsreporterin und Friedenspreisträgerin Carolin Emcke, Berlin, eine sehr treffende Einführung in die Ausstellung, in der sie das Verstörende, wie die spezifische Brutalität eines Völkermords, einer ethnischen Vertreibung oder eines Bürgerkriegs beschrieb, aber auch das darin aufblitzende Vertraute, die verbindende Humanität, die Gemeinsamkeit der einen Welt. Die Foto-Dokumente laden natürlich den Betrachter dazu ein, die dahinterliegende ganze Geschichte zu dechiffrieren und zu verstehen. Das Besondere an Wolf Böwigs Fotos und Collagen sei, dass er sich selbst und die ganze Komplexität dieser versehrten Welt auch dem Betrachter zumute und sie nicht schlicht vereinfache. Gleichzeitig erzählte sie uns, dass das Leid immer etwas Besonderes, Außergewöhnliches sei, „ganz gleich wie häufig und alltäglich es sein mag, es ist immer spezifisch in einer bestimmten Wüste, einer bestimmten Stadt“.

von Petra Kammann

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